16. September 2024

Camino de la Costa 11: Von Pobeña nach Playa Arenillas (23 km)

17. September 2018. Das Baskenland lag nun hinter uns, wir meiden das Duff, prallen gegen eine verschlossene Basilica und sammeln schöne Bonusmeilen.

Wir ließen uns Zeit, um die Deutsche Mafia vorzulassen und ließen uns von den Frühaufstehern an diesem Tag nicht sonderlich stören. So kamen wir in den Genuss einer schönen Morgenstimmung mit den ersten Lichtstrahlen des Tages direkt beim Aufbruch. Wir wünschten der draußen rauchenden Argentinierin mit Maradonna-Frisur noch einen Buen Camino und irrten etwas durch den Ort.

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Morgenfrische auf dem Platz vor der Herberge

Wir passierten eine Gruppe, in der ein junger Mann in voller Wandermontur mit großem Rucksack eine komplex aussehende Beinschiene trug. Er wirkte ein wenig wie ein Robocop. Als wir an ihm vorbei gingen sprach er gerade zu anderen darüber, dass er wohl aufgeben müsse. Mir tat er in diesem Moment gleich ziemlich Leid.

Am vorherigen Abend hatten wir mit Stijn besprochen, inwieweit er weiter mit uns laufen wolle, weil er eigentlich durch seine Physis und durch sein leichteres Gepäck eigentlich schneller sein konnte. Es kam immer wieder dazu, dass er auf Vasek und mich warten musste. Er sagte uns, er wolle darüber nachdenken und wäre für alles im Moment offen. Aber für heute hatte er sich noch entschlossen, doch noch bei uns zu bleiben

Der Camino begrüßte uns gleich mit einer steilen Treppe zu dem wunderschönen Panorama-Weg, der direkt am Meer entlang führte. Dies war früher ein Gleis für eine Bahn, mit der aus dem Meer gewonnene Mineralien abtransportiert wurden. An manchen Stellen konnte man dies noch aus verrosteten Maschinenteilen der Kräne ablesen. So war es aber ein schön angelegter ebener Weg, mal ein echter Spaziergang zwischendurch.

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Eine ehemalige Eisenbahnstrecke ist nun ein herrlicher Weg

Am Anfang waren wir noch mit einigen Pilgerern aus der Herberge in Pobeña unterwegs. Ebenso wie sie sahen wir auf einmal eine Ruine eines Castellos direkt am Ufer liegen. Sie war zwar gesperrt, aber wir machten zweimal Camino-Limbo, indem wir uns durch Löcher im Zaun quetschten, ohne unsere Rucksäcke abzusetzen.

Weiter gings auf die Grenze nach Kantabrien zu, aus der von Ferne schon gut sichtbar eine nicht ganz so attraktive Öl-Rafinerie direkt an der Küste wartete, von uns rechts liegen gelassen zu werden.

Alles in allem hatte uns das Baskenland viele schöne Aussichten geboten, das Land war wie seine Menschen etwas rauh, aber herzlich. Ich hatte es nicht bereut, dass wir unseren Camino schon in Irun begonnen hatten und uns nicht wegen der begrenzten Zeit darauf fokussiert hatten, unbedingt auf dem ersten Gang auf dem Camino auch Santiago de Compostella erreichen zu müssen. So überquerten wir die Grenze nach Kantabrien mit dem tollen Gefühl, eine ganze Provinz durchquert zu haben.

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Schon das erste Dorf in Kantabrien wirkte deutlich mediterraner

Quasi ab der Grenze änderte sich das Gesicht des Camino de la Costa. Die Landschaft wirkt etwas mediterraner. Dies wurde gleich im ersten Dorf deutlich, als wir durch Stauden mit dicken Tomaten liefen.

Stijn und ich spürten schon relativ bald ein inniges Verlangen nach Café con Leche. Vor uns sahen wir am Ende eines langen Anstiegs über die Nationalstraße ein weiß strahlendes Haus an der Steilküste liegen. Ich prophezeite, wider besseren Wissens, dass dort eine Bar liegen würde. Und richtig, es ist war die Bar Cavallo mit dem ersehnten Heißgetränk in einer sehr exquisiten Qualität. Die ansonsten dargereichten Speisen befriedigten Stijn und Vasek zwar nicht, ich war aber nur auf das leckere Gebräu aus.

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Gute Laune und gute Aussicht auf der Terasse der Cavallo Bar

Weiter in Richtung Mioño verpassten wir den Abzweig nach rechts, der vermutlich an einer wenig schmucken Mietskaserne vorbei führte und kamen in den Ort hinein. Dort sahen wir eine witzig bemalte Bar.

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Mo’s Bar in Mioño, auf der Suche zurück zum Camino

Die Frage, ob wir uns ein Duff-Bier am heißen Vormittag reinziehen sollten, wurde seitens der beiden abschlägig beschieden. So zückten sie lieber ihre Smartphones und suchten nach einem Weg zurück auf den Camino, den wir nach einigen Hakenschlägen durch kleine Hohlwege auch erreichten.

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Erster Blick auf Castro Urdiales

Endlich sahen wir Castro Urdiales vor uns liegen und uns beschlich ein leises Hungergefühl, welches wir in einem Restaurant am Strand bekämpfen wollten. Wegen der Hitze verlegten wir uns auf diverse Salate, die noch frisch in der Küche zubereitet werden mussten. Dafür gab man uns kleine blinkende Pieps-Geräte mit, die wir mit nach draußen auf die Terasse nahmen. Hier trafen wir auf bekannte Pilgergesichter, mit den beiden Herren im besten Alter hatten wir allerdings noch nie gesprochen und erst später stellte es sich heraus, dass dies auch zwei Australier waren. Down Under war also, was den Durchsatz and Peregrinos anging, eher oben auf.

Nach dem sehr leckeren Essen wollten wir in Costa Urdiales natürlich auch in die Basilica, diese war aber, wie viele andere Kirchen zuvor, geschlossen. Also konnten wir sie nur umrunden und gingen durch die Straßen der Stadt weiter auf dem Camino westwärts.

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Basilica von Castro Urdiales

Die Straßen der Stadt wirkten nicht mehr so gepflegt wie bei den Städten im Baskenland, aber zwischendrin sahen wir dieses Kleinod, das zum Bade lud:

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Ein Meerwasser-Planschbecken vom Feinsten

Vasek lotste uns mit seinem Smartphone über einen Weg, der nicht der ganz offizielle war. Es ging vorbei an einem typisch spanischen Friedhof. Passend zu diesem Ort hat man auf dem Camino wandernd Zeit über Leben und Tod nachzudenken und mir kam in den Sinn, dass Gedanken über den Tod auch Gedanken über das Leben davor sind.

Ich denke, dass in der letzten Stunde mehr Leute bedauern, nie auf dem Jakobsweg gepilgert zu sein, als etwa den Gedanken zu formulieren „ach, hätte ich doch bloß noch mehr Überstunden gemacht.

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Weiße Wedel – ganz schön edel!

Zwischendurch erreichten wir auch einen Punkt, an dem es nicht mehr weiter ging und der wohl auch von Menschen aus der Gegend für romantische Stelldicheins genutzt wurde. Während wir eine Böschung anstiegen, winkten uns die weißen Wedel der manns- und fraushohen Gräser noch leise rauschend zum Abschied.

Wir erreichten kurz vor Islares einen Punkt, der mit seiner legendär schönen Aussicht unter kleinen krüppeligen Bäumen wie dafür geschaffen war, um dort eine Snickers-Pause zu machen. Meinten zumindest Vasek und Stijn. Ich konnte einer von der Sonnenhitz leicht formbaren Fett- und Zuckerbombe in der Situation nicht viel abgewinnen und beließ es beim Genuss lauwarmen Wassers aus meiner belgischen Flasche aus Spa, in der mein von gezogener Nebenluft blubbernder Schlauch der Firma Source steckte.

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Dieser Hain mit Aussicht war für einen Snickers Riegel gerade gut genug

Nun war es nicht mehr weit zur Herberge in Islares. Wir sahen ein nettes Haus mit Blick auf das Meer vor uns liegen. Doch ein Zettel an einem Laternenmast verriet uns, dass die Herberge geschlossen war. Weiterhin wünschte man uns für die 2,9 Km zur nächsten ein „Buen Camino“. Wir zuckten nicht lange mit den Schultern und zogen weiter gen Westen.

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Auf den Bonus-Meilen wegen der geschlossenen Herberge in Islares

So hatten wir zwei Bonusmeilen zum Campingplatz in Playa Arenillas und bekamen zu dritt ein komfortables 4-Personen Familienzelt zugewiesen. Zuvor trafen wir einen eher seriösen Koreaner mit geringem Kicheranteil, den wir schon in Pobeña getroffen hatten. Er trat aus dem Bistro des Campingplatzes bat uns quasi herein.

Unser Zelt war eigentlich eine der besten Unterbringungen auf dem gesamten Camino. Wir hatten darin ein Stockbett und zwei Einzelbetten, somit konnte jeder von uns auf der unteren Ebene schlafen. Innen gab es genug Stauraum, einen Tisch und Stühle, um noch etwas vor dem Zelt zu entspannen. Zusätzlich gab es auf dem Platz nahezu unendlich viele Duschen und Waschplätze, beide nutzten wir ausgiebig. Die Wäsche konnten wir an Leinen direkt am Zelt aufhängen.

Bevor wir uns zu Speise und Trunk zum Bistro aufmachten, erledigte ich wie Vasek auch meine tägliche podologische Selbstmedikation im Zelt, durch das nun leichte Schwaden von Sterillium zogen. Es hatte sowas von der Serie MASH, nur dass wir hier in Kantabrien und nicht Korea in einem Sanitätszelt. waren. Aber die trocken-zynischen Bemerkungen während der Operationen wären von ähnlicher Natur.

Das Essen war dagegen eine totale Pleite. Die Patatas in der Camping-Bar entpuppen sich als pappige und noch sehr helle Pommes mit Supermarkt-Ketchup. Scheinbar zürnten auch die nordischen Donnergötter, denn starke Gewitter zogen auf, während wir so essen und tranken, danach genossen wir die frisch gewaschene Luft.

Im Vergleich zum Essen war der Wein umso besser, danach gab es noch eine Runde mit prall mit einem milden Veterano-Brandy gefüllten Weingläsern. So waren wir am Ende des Abends relativ schmerzfrei, als wir zurück zum Zelt schwankten.

Im Übrigen war die Deutsche Mafia im Nachbarzelt. Wir hatten sie erfolgreich ignoriert.

Fazit des Tages: Wenn ein Prophet zum Berg geht, dann kann oben eine Bar mit Café con Leche auf ihn warten.

 

 

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